|
|
So, dies war nun meine erste
Berührung mit dem Land, in das mein Patenonkel kurz nach meiner Geburt
abhaute (kein Scherz, ich glaube allerdings nicht, dass er wegen mir
geflüchtet ist) Jedenfalls setzte ich am 8. Mai 1993 zum ersten Mal
meinen Fuß auf den Boden des Flughafen in Vancouver, trieb mich einen Tag
in der Stadt rum und machte mich dann ans Werk. Die blaue Linie nebenan
schreitet so in etwa die entsprechende Route ab, endet allerdings
vorzeitig; denn der Rest bis Jasper und durch die Rocky Mountains ist
identisch mit der Strecke von 2006 und wird da äußerst genussreich
wiederholt. Der blaue Ausreißer bei Quesnel markiert den Abstecher in
Richtung Bowron Lake National Park, den ich dann doch leider nicht ganz
erreichte - macht nix, die Fahrt war ne Wucht. Let's go! |
|
|
1. Vancouver - Squamish
Am Morgen
gibt's kostenlose Dusche, leider außerhalb des Hotels und von weit oben.
Die ersten KM fahre ich im nahegelegenen Stanley-Park, die grüne Oase der
Stadt. Behaglich taste ich mich durch bis zur Brücke, die auf das
"Festland" von North Vancouver führt, weg vom Mündungsdelta
des Frazer River, der die Innenstadt umarmt. Dort tobt der Verkehr dicht,
reichlich und schnell an dem schmalen, kombinierten Fuß/Fahrradweg an mir
vorbei, so dass ich nach ein paar Metern Nerven zeige und lieber schiebe.
Doch dafür hat der Regen aufgehört, und so kann ich am Ende der
architektonischen Schmalspurverdrahtung unbeschwert losstrampeln.. Es geht
es hinunter auf die sogenannte "Scenic Route", die leider nicht
nur ich zu schätzen weiß - man liegt immerhin noch im Einzugsgebiet von
Vancouver. In der Folge geht es, immer reichlich rauf und runter, immer
Richtung Norden. Nach etwa 15 KM kommt von rechts die Hauptstrecke
anmarschiert, mir bleibt nichts übrig, als sie zu nutzen. Also, von wegen
einsames Kanada, hier fliegt die Kuh! Doch es gibt nur diese eine Straße,
und das für die nächsten Tage. Dabei ist die Strecke durchaus reizvoll,
zur Linken öffnen sich immer wieder wunderbare Aussichten auf die weißbemützten
Berge von Vancouver Island. Je weiter ich auf die nördlichen Regionen
zukrieche, desto erträglicher wird allerdings der Verkehr.
|
|
|
1. Vancouver - Squamish
In der Folge
geht es, immer reichlich rauf und runter, immer Richtung Norden. Nach etwa
15 KM kommt von rechts die Hauptstrecke anmarschiert, mir bleibt nichts übrig,
als sie zu nutzen. Also, von wegen einsames Kanada, hier fliegt die Kuh!
Doch es gibt nur diese eine Straße, und das für die nächsten Tage.
Dabei ist die Strecke durchaus reizvoll, zur Linken öffnen sich immer
wieder wunderbare Aussichten auf die weißbemützten Berge von Vancouver
Island. Je weiter ich auf die nördlichen Regionen zukrieche, desto erträglicher
wird allerdings der Verkehr. |
|
|
2. Squamish - Whistler
Nach einer
undramatischen, aber ruhigen Nacht auf einem für Fahrradfahrer gerade in
richtiger Entfernung von Vancouver gelegenem Zeltplatz erfahre ich dann,
warum der Highway 99 den Untertitel "Sea to Sky"trägt: Die
Berge warten!
|
|
|
2. Squamish - Whistler
Fahrrad, 20
Kilogramm Ausrüstung und vor allen Dingen ein paar überflüssige Pfunde,
die ein fauler Winter zu Hause so mit sich bringt, lassen mich die große
gelbe Scheibe, die ich am Morgen noch so freundlich begrüßt habe, jetzt
weniger segensreich bedenken, auch wenn die herrliche Szenerie der Coast
Mountains mich durchaus entschädigt. Gegen 16.00 Uhr erreiche ich endlich
Whistler, klar, weiter geht's heute nicht mehr. Dieser recht mondände
Skiort könnte auch gut in der Schweiz liegen mit seinen Mini-Siedlungen
und dem Zentrum, dem es an nichts fehlt - es sei denn, man sucht nach Häusern,
die älter sind als man selbst. Auch ein erstklassiger Zeltplatz ist nicht
weit. An der Rezeption erwartet mich eine äußerst freundliche Dame - und
die erste Warnung vor Bären: "Sie brauchen nur ein bisschen Schinken
auslegen, wenn Sie Wert auf Besuch legen!"...
und dann gibt es da noch real existierende Flora, die im Laufe des
Abends versucht, aus mir ein weitgehend blutleeres Gebilde zu machen. Wenn
ich mal ausnahmsweise auf der Gewinnerseite stehe und einen Moskito für
seinen falsch orientierten Appetit strafe, bleibt ein respektabler
Blutfleck zurück, der mir zeigt, dass die Ernte heute Abend nicht von dem
mit den schlagkräftigsten Argumenten eingefahren wird ...
|
|
|
3. Whistler - Passhöhe
Am nächste Tag
erreiche ich gegen 12.00 Uhr und nach einigen Abfahrten Pemberton. Bananen
und Coke ist angesagt, natürlich zwei Liter Trinkwasser - der Tag hält,
was mir gestern versprochen wurde, 30 Grad im Schatten sind's jetzt schon
(und den werde ich nicht kriegen!). Bei einem kleinen woher/wohin - Geplänkel
draußen vor der Tür des Supermarktes entpuppt sich mein Gesprächspartner
als Deutscher, der seit 1957 hier lebt. Auch er kommt gleich auf Bären zu
sprechen - haben die hier eigentlich kein anderes Thema?! So, genug
geschwatzt, weiter geht's. Zunächst ein paar einfache KM weiter östlich,
dann wartet nach ungewohnt ebener Strecke die erste Schotterstraße auf
mich. Auch das stellt kein Riesenproblem für meinen schwarzen Gefährten
und mich dar, doch muss ich feststellen, dass ich lieber bei Teer bleibe -
und sei es nur deshalb, weil man hier alle paar KM anhalten muss, um Mund
und Augen vom Staub zu säubern, den die vorbei fahrenden PKW's - und erst
recht die Trucks - auf einen schleudern. Doch die Aussicht ist niedlich
und findet ihr Finale im wunderbar gelegenen Lilloet-See. Bei dem endet
auch der Schotter und beginnt die Pein, etwa 13 KM nicht unter 12 %
Steigung warten auf mich. Die Nachmittagssonne powert wie verrückt und
ich komme aus dem letzten Ritzel nicht mehr heraus.
|
|
|
3. Whistler - Passhöhe
Bald hat es
sich eingependelt: Die nächste Ecke anpeilen, sich hochquälen, dort
anhalten, Schluck Wasser, verschnaufen. Die erste Flasche hält nicht
lange, ich tanke in den zahllosen Quellen nach, die munter neben mir
herunterblubbern. Zwischendurch klatsche ich das Hemd kurzentschlossen in
den Bach, ziehe es mir nass über, um mir Erleichterung zu verschaffen -
dagegen waren die Schweizer Pässe ein Kinderspiel, da konnte ich
wenigstens noch fahren, hier bin ich nur am ackern! Drei, vier Stunden
halte ich das durch, dann kommt die weiße Flagge. Ich habe gerade noch
Kraft, einen geeigneten Platz zu suchen, wasche mich, so gut es geht, in
einem der Bäche und führe in der Folge einen hektischen Kampf mit den
ortsansässigen Moskitos, die in mir eine passende Gelegenheit finden,
ihre Fastenzeit zu beenden.
|
|
|
4. Passhöhe - Lilloet
Die Nacht
wird mir lang, aufgrund der doch etwas merkwürdigen Situation - jederzeit
von der Straße aus zu sehen, dieses mistige Bären-Gequatsche - schlafe
ich schlecht bzw. lange nicht ein.
Doch jede
Nacht vergeht, am Morgen fühle ich mich genug ausgeruht, um mit dem
Hochschubsen weiterzumachen. Einige Schleifen weiter wird
es zusehends flacher, zuerst ungläubig, dann hoffend, am Schluß immens
erleichtert strampele ich weiter in den Morgen hinein: Das war's, bis zum
Duffey Lake, dem angeblich höchsten Punkt, geht es nur noch bergab. Dort
ist die immer noch knallende Sonne bestimmt willkommen, im See schwimmen
noch Eisstücke.
|
|
|
4. Passhöhe - Lilloet
Im weiteren Verlauf der Strecke gibt es trotz fallender
Tendenz genug zu tun, es ist keine durchgängige Abfahrt, so manche
Steigung legt sich mir noch in den Weg. Am frühen Nachmittag beginnt sich
prompt der gestrige Tag bemerkbar zu machen, immer schwerer fallen mir
selbst einfache Anstiege. Und dann kommt es, 20 KM vor dem Ziel warten
einige dreizehnprozentige Gemeinheiten auf mich: Erster, zweiter, dann der
finale Hügel - das Thermometer zeigt 40 Grad, es ist fast kein Wasser
mehr da, auch keine Quelle am Wegesrand, immer kürzer werden die Pausen,
in denen ich mich auf jeden verfügbaren Schatten stürze, der verfügbar
ist; manchmal reicht es gerade dazu, den hochroten Kopf für ein paar
wunderbare Minuten aus der Sonne herauszuhalten. Besonders der letzte
Berg, in dem es nochmal rund 100 Höhenmeter hinauf geht, macht mich endgültig
fertig; keine Übertreibung - es ist die Hölle!
|
|
|
5. Lilloet - 20-Mile-House
Zum Schluss
lasse ich mich regelrecht nach Lilloet hineinfallen, verbringe dort erst
einmal einen ausgedehnten und unendlich faulen Ruhetag, bevor ich wieder
in eine Landschaft hineinradle, die auch in der Nähe von Avignon nicht
weiter auffallen würde. Und wieder klettert die Strecke gut bergauf, doch
im Vergleich zu den vergangenen Tagen gibt es kein größeres Problem. Es
ist eine ruhige Fahrt, auch, was den Verkehr betrifft. Nach einigen kräftigen
Steigungen folgt - endlich - ein reiner Genuß. Bis zum See im Marble
Canyon Park ist die Strecke noch ausgeglichen, dort erwarten mich
fantastische Ausblicke.
|
|
|
5. Lilloet - 20-Mile-House
Am Ende des
Sees macht die Straße einen Knick nach links, fällt in der Folge gemächlich
ab und ich durchfahre ein wunderbares Tal; es ist Vergnügen pur.
Schneller als erwartet erreiche ich das Ende vom Highway 99, von nun an
ist wieder reichlich vierrädriges zu sehen. Nach links wende ich mich,
Richtung Clinton, zunächst bleibt der Weg weiter einfach. Doch als ich in
einem Privathaushalt um Wasser bitte, meint der sehr freundliche Hausherr,
bis zu dem Ort käme noch eine saftige Steigung. Als Ergebnis werde ich
prompt schwach, als ein paar KM weiter 20-Mile-House auftaucht, eine zur
Tankstelle umfunktionierte, ehemalige Poststation. Auf dem weitläufigen
Grundstück lässt man mich das Zelt aufstellen, so ist ein luxuriöses Frühstück
gesichert, es reicht am Abend sogar für einen Platz auf der Bank im
Vorgarten.
|
|
|
6. 20-Mile-House - Horse Lake
Der nächste
Tag bringt Clinton - gibt's nicht nur in den USA. Ich halte mich gerade
mal die übliche Joghurteinheit lang auf, dann will ich sehen, was der Tag
noch bringt. - Nun, zunächst noch eine kleine Steigung, doch dann wird es
flach, fast langweilig. Die Aussicht reduziert sich auf viele Bäume links
und rechts und öfter, als mir lieb ist, kommen noch einige Auspuffrohre
hinzu. Nun, Fahrradtrekking muss nicht unbedingt etwas mit
wildromantischen Ausblicken zu tun haben, es macht Spaß, so unbeschwert
und flott das Asphaltband abzuspulen. Am 70-Mile-House (diese ganzen ...Mile...
Dinger sind nach den Poststationen der Golddigger benannt) verlasse ich
die Hauptstraße zugunsten einer Scenic Route. Sofort reduziert sich der
Verkehr um 90 %, dafür gibt's jetzt Seen satt - besonders den Green Lake,
ein ziemlich großes Exemplar mit jeder Menge glücklicher Anlieger und
Zeltplätze. Es sind herrliche zwei Stunden, in denen ich regelrecht
herumstromere. Der Tag endet standesgemäß mit einem zauberhaften
Campingplatz am Bonanza Lake, mit allem, was dazu gehört (incl.
Moskitos). Geführt wird er von einer Schweizer Familie, "nur so mal
für drei Jahre". Bis auf die erwähnten Quälgeister ist es ein
wunderbarer Abend, die Sonne gibt die obligatorische Abschiedsvorstellung
im See und sieht mich dick vermummt am Ufer sitzen.
|
|
|
7. Horse Lake - Williams Lake
Auch die
Nacht hat es in sich, früh morgens wache ich vom Geheul der Coyoten auf.
Nach einer Weile habe ich mich dran gewöhnt und schlummere meinem üblich
spätem Tagesbeginn entgegen. Der ist zunächst einfach genug, bis
100-Mile-House geht es fast nur bergab. Es geht weiter, immer Richtung
Norden. Auch an diesem Tag habe ich eine recht kräftige Distanz vor mir,
denn bis Williams Lake möchte ich doch ganz gerne kommen. Die Landschaft
stellt sich mir dabei nicht in den Weg, meist geht es flach zu; wo
ein Hügel ist, wird er natürlich umgehend in Angriff genommen.
Die Hauptattraktion an diesem Nachmittag bildet der Lac La Hache, an
dessen Ufer ich lange Zeit entlang fahre, allerdings immer auf der
Hauptstraße. Zum Glück ist die hier nicht so stark belebt,
wahrscheinlich drücken sich die feigen Typen nur vor der knallenden
Sonne, die mich regelrecht austrocknet - merke: Wenn dir einfaches,
lauwarmes Wasser aus einer Plastikflasche köstlich erscheint, solltest du
dich mit dem Gedanken anfreunden, vielleicht ein kleines bisschen zuwenig
getrunken zu haben ....
Etwa 10 KM vor Williams Lake taucht vor mir ein
Zeltplatzschild mit einem gemaltem Wigwamschild auf. Mitten in der finalen
Abfahrt vor der Stadt liegt das Ding, also fast geschafft - hinein. Tatsächlich,
der Laden wird ausschließlich von Indianern geführt. Die Moskitos sind
hier besonders beißwütig, ich verziehe mich, sobald die Putz- und
Flickstunde vorbei ist, ins Zelt. Ein Glück, dass ich nicht allzu groß
bin ...
|
|
|
8. Williams Lake - Quesnel
Die ersten
50 KM verbringe ich auf einer Schotterstrecke, die hoch über dem Frazer
River entlang führt und mich zum Schluß gut durchgerührt - und wegen
der vielen Steigungen schon ziemlich geschafft - wieder auf der Hauptstraße
abliefert. Natürlich ist es heiß, doch langsam macht sich auch bei mir
ein gewisser Lerneffekt bemerkbar - ich sauge Wasser, soviel hineingeht,
arrangiere mich mit meinen Restkräften: Ich will heute noch unbedingt
Quesnel erreichen.
|
|
|
8. Williams Lake - Quesnel
Der Endspurt
beginnt nach einer fiesen, langgezogenen Steigung, die von einem Store
gekrönt wird. "28 Miles left" macht mir der Besitzer Mut, doch
als ich die endlich um 20.15 Uhr hinter mir habe, kann mich wirklich
niemand mehr motivieren, das Fahrrad am nächsten Tag auch nur anzusehen!
|
|
|
9. Quesnel - Wells
Ein bisschen
schwer fällt es dann schon, wieder in Gang zu kommen, aber noch einen Tag
hier würde ich garnicht aushalten. Vielmehr sollen die nächsten Tage
einen Abstecher zum Bowron Lake National Park bringen. Kurz nach dem
Ortsende bietet sich auch schon gleich die Straße nach Barkerville an.
Die hält sich nicht lange mit irgend welchen Vorreden auf und sagt
gleich: Hier gibt es Steigungen, noch und nöcher! Ich mache mich ans
Werk. Ein, zwei, dreimal zweistellige Prozentzahlen - allmählich wird mir
klar, dass mein Ziel oben in den Bergen liegt, also: Das wird den ganzen
Tag so bleiben! Doch die Strecke ist schön, und nach den drei
Eingangsschikanen kommen auch sanftere Teilstrecken. Nach 25 KM erreiche
ich Cottonwood, eine alte Posthaltestelle, die man restauriert hat, gleich
komplett mit entsprechend gekleideten "Angestellten"; doch es
ist wirklich nett, keine Frage, ich wusele dort ein wenig herum. Wenig später
treten mir tatsächlich Tränen in die Augen, aber nicht vor Anstrengung:
Ein Tal öffnet sich, wie es herrlicher nicht sein kann, Raubvögel
kreisen weit oben - die Seele wird so richtig durchgelüftet. Andächtig
radele ich das Tal ab. Angenehm kühl ist es nach einem Gewitter in der
Nacht geworden, doch die Sonne scheint - meistens.
|
|
|
10. Rundfahrt bei Wells
Als ich dann
die Stadt in den Bergen erreiche, bevölkere ich ein kleines Hotel,
stromere am folgenden Tag ein bisschen in dem nahegelegenen
Freilichtmuseum herum, lasse es mir nochmal gut geh'n. Ich pedale ein
bisserl Richtung Osten, will mir die bizarre Seen-Konstellation - ein
Traum für Kanuten - ansehen, verfranse mich aber zwischendurch auf den
Forstwegen, so dass ich am Nachmittag gut durchgerüttelt wieder in dem
gemütlichen Hotel aufschlage - macht nix, war auch heute wieder
Landschaft pur.
|
|
|
11. Wells - Hixon
Dann hat
mich die Straße wieder, den Rückweg erlebe ich im übelsten Regen, der
erst nach einigen Stunden Premierenvorstellung eine Ruhepause einlegt. Die
Imprägnierung der Schuhe verliert den Kampf und ich meine warmen Füße.
Auf der 97 angelangt, fahre ich erstmal ein wenig bergab - wäre ja ganz
angenehm, doch bei der Geschwindigkeit schießen die Regentropfen wie
Geschosse durch meine Schuhe und ins Gesicht. Doch dann habe ich
Gelegenheit, mich aufzuwärmen, zwei langgezogene Steigungen kommen in
dieser Beziehung garnicht ungelegen. Tja, so ist das eben mit dicken
Wanderschuhen: Ebenso vehement, wie sie anfangs die Feuchtigkeit abwehren,
sträuben sie sich nach erfolgter Kapitulation anschließend, die
erworbene Wassermenge wieder zu verdunsten; manchmal wünsche ich mir
Sandalen! Irgendwann, es kommt mir vor wie eine kleine Ewigkeit, erreiche
ich trockenere Gefilde, wo ich die Füße aus ihrem Gefängnis hole. Ich
merke, dass auch ein Schwund von Flüssigkeit erfrischen kann, als ich
weiterfahre, weiter im Trockenen, weiter auf einfacher Strecke. Der Rest
des Tages ist typisch für
die 97, viele Hügel, viel Wald. In Hixon kann ich dann frei wählen, je
zwei Hotels und Campingplätze nennt man sein eigen - die Sonne strunzt,
alles klar. Auf dem Platz ist die ganze Scala der Wohnmobile vertreten,
einer hat sogar einen Truck als Zugmaschine; irgendwie habe ich die ganze
Zeit drauf gewartet ...
|
|
|
12. Hixon - Prince George
Außer einem
langgezogenen Anstieg am Anfang des Tages bietet die Strecke weder große
Schwierigkeiten noch sonstige Überraschungen, doch es ist schön, in der
klaren, sonnigen Atmosphäre zu radeln.
Am frühen
Nachmittag erreiche ich den nördlichsten Punkt meiner Reise, Prince
George. Eigentlich wollte ich hier den Greyhound missbrauchen, und die Hüter
des Busses wären mir ja gerne zu Diensten - vorausgesetzt, ich treibe
eine große, stabile Kiste auf, um das Fahrrad zu verpacken ... wo, zum
Teufel, soll ich die hernehmen?
|
|
|
13. Prince George - Dome
Creek
Mangels
Organisationstalent muss also rohe Kraft her, vor mir liegt eine lange
Strecke ohne Versorgungsmöglichkeiten, und langweilig soll sie auch noch
sein. Ich lasse es langsam angehen, um meine Kräfte nicht vorzeitig zu
verbrauchen. Und dann - tja, was soll ich sagen, diese Strecke, von der
mir so intensiv abgeraten wurde, sie erweist sich als reiner Genuss. Immer
leichtes Auf und Ab, nie wird die Landschaft durch menschliche Behausungen
gestört, und der Verkehr hält sich durchaus in Grenzen. Nur dann, wenn
ich fotografieren will, tauchen die Dinger massenweise auf und stören
meine Kreise. Allmählich rücken jede Menge Berge in mein Gesichtsfeld,
lassen sich aber viel Zeit mit dem Näherkommen. Verzückt schaue ich
immer wieder zur Seite, die Wiesen und Wälder sind urig und der Blick
reicht weit. Ich kann mir vorstellen, dass es für Autofahrer tatsächlich
langweilig sein könnte, doch für den Radfahrer mit seinem Minimalblick
ist es ein Traum.
|
|
|
13. Prince George - Dome
Creek
100 KM, 120,
140 - so langsam werde ich dann doch müde. Prompt kommt auch noch ein
ziemlich gemeiner, wenn auch relativ kurzer Berg. Oben erwartet mich ein
unerwarteter, herrlicher Anblick: Ein kleines Restaurant, 24 Stunden
offen! Jede Menge Trucks lungern hier herum, offenbar ist das Ding
bekannt. Und gerade dieser Umstand hilft enorm, denn nachdem ich heute
meinen ersten Bären (!) am Straßenrand gesichtet (und ihn singenderweise
vertrieben) hatte, fühlte ich mich garnicht wohl bei dem Gedanken, mich
samt Zelt als gut verpackte Spielmasse im Gebüsch anzubieten. Nachdem ich
endlich wieder in der Lage bin, Worte von mir zu geben, die nichts mit
Nahrungsaufnahme zu tun haben, ist die Situation bald geklärt: Auf dem
leicht verwilderten Parkplatz nebenan darf ich mein Zelt aufstellen, sogar
vor Moskitos finde ich im Laufe des Abends Schutz, als ich noch auf ein
paar Erfischungstropfen beim Wirt reinschaue.
|
|
|
14. Dome Cree - McBride
Die Nacht
macht sich zuerst garnicht gut, die verdammten Truckdriver, die hier
halten, hören ihren Karren offenbar unheimlich gerne: Die meisten lassen
während ihrer Pause die Motoren laufen, was mich, nur ein paar Meter
entfernt liegenden, Regenerationsbedürftigen natürlich ungeheuer entzückt.
Doch gegen 1.00 Uhr - nein, schlafe ich nicht endlich ein, es scheint, als
würde ich einfach bewußtlos, so abrupt haut mich mein kaputter Körper
nieder. Gegen 7.00 Uhr knipst jemand das Licht wieder für mich an, ich fühle
mich frisch wie nach 8 Stunden ungestörter Nachtruhe. Natürlich gibt's
ein gutes Frühstück, dann muss ich nur noch beim Packen die Moskitos
abwehren - so etwas geschieht üblicherweise durch wildes Herumgelaufe um
den langsam schmelzenden Gepäckberg.Ich bin noch nicht lange unterwegs,
als ich mich einem Wagen nähere, der, auf der Gegenseite geparkt, mich
anblinkt. Vorsichtig taste ich mich heran: Dachte ich mir's doch, rechts,
gerade mal 10 Meter von mir entfernt, beäugt Meister Petz gleich in
doppelter Ausführung die Straße! Wie die berühmten Leute mit den Kissen
im Fenster hocken die da, ein Bild, völlig frei von Aggressionen. Dieser
unglaublich putzige Anblick brennt sich in meiner Erinnerung stärker ein
als jedes Photo, zu dem ich leider nicht komme, denn als ich nach der
Kamera krame, saust ein Truck heran und fegt die Beiden förmlich in den
Wald hinein. So langsam dämmert mir, dass ich einige der Flüche gestern
Nacht an die Adresse der Truckdriver besser als Danksagungen formuliert hätte
...
|
|
|
14. Dome Cree - McBride
Der Tag wird
mir nicht leicht, die gestrige, lange Strecke mit fast 160 KM sitzt mir
noch in den Knochen, von der Nacht nicht zu reden, die Knie fangen an, ihr
Veto einzulegen. Ich beginne, den Bodensatz meiner körperlichen Reserven
auszufegen, als sich die Schwierigkeiten langsam legen, und auch schon
bald die Stadt in Sicht kommt. |
|
|
15. McBride - Mount Robson
Am Vorabend
hat eines dieser sprichwörtlichen Gewitter die Luft gereinigt. Der Tag
beginnt mit herrlichem Sonnenschein, der die aufregende Bergszenerie, die
um mich herum immer höher wächst, gebührend ausleuchtet. Nach den
Anstrengungen der letzten Tage bin ich eigentlich darauf gefasst, heute
mehr mit mir als mit der Strecke kämpfen zu müssen, doch es geht
wunderbar leicht; auch der Verkehr bleibt maßvoll, nur eine reichliche
Menge Raupen fällt mir auf, die auf einem längeren Straßenabschnitt
ihre Verpuppung riskieren; ein Rastplatz zwischendurch wimmelt nur so von
ihnen.
|
|
|
15. McBride - Mount Robson
Nun erreiche
ich endgültig den Haupteingang der kanadischen Rocky Mountains, um
genauer zu sein, den Mount Robson Park. Noch immer ist keine
kniezerfetzende Steigung in Sicht, dafür aber, im Schatten des
gleichnamigen Berges, das Mount Robson Visitor Center. Das markiert dann
auch gleichzeitig den Endpunkt der Etappe, doch noch nicht das Ende der
heutigen Aktivitäten: Mal auf Schusters Rappen? Kein Problem, liegt doch
einer der schönsten Trails Kanadas gleich in der Nähe. Nachdem ich mein
Zelt auf einem Platz gleich neben dem üblichen Touristentrubel
aufgestellt habe, erlebe ich einen wunderbaren Nachmittagsspaziergang
hinauf zum Kinney Lake, fantastische 10 KM hin und zurück inklusive
Andachtszigarette in der Abendsonne.
Tja,
und der Rest? War auch schön, halt genauso wie 13 Jahre später ...
|